Dorothea und Wilfried Ströhlein
Zu Beginn hieß unser Kinderheim einfach nur "Kleinstheim Ströhlein" – so, wie uns die Behörden nach dem Namen der Gründer nannten. Als unsere Arbeit sich ausweitete, fanden wir jedoch, dass diese Arbeit auch einen "richtigen" Namen verdient hatte. Um einen neuen, schönen und passenden Namen zu finden, riefen wir alle Kinder und Mitarbeiter zum Wettbewerb auf. Wir haben viele Vorschläge bekommen - aber nichts sagte uns allen zu. Als schon längst der letzte Termin für die Vorschläge vorbei war, fragten wir noch einmal unsere damalige diakonische Helferin Karin und die beiden ältesten Kinder im Haupthaus. Dagmar war es dann, die mit unserer Helferin den Namen „Regenbogenhaus“ oder „Haus Regenbogen“ fand. Bis heute gefällt uns dieser Name. Wir waren vom Aussehen des Regenbogens und seiner Vielfalt an Farben angesprochen, weil unsere Arbeit ähnlich bunt ist. Noch mehr gefällt uns die inhaltliche Aussage: dass Gott damit ein Hoffnungszeichen nach der Katastrophe der Sintflut in die Wolken gesetzt hat. So möchten wir Hoffnungsträger sein für die, die auch schon manche Katastrophe erlebt haben und nun in eine hoffnungsvollere Zukunft gehen können.
Wilfried Ströhlein
André war ein Junge, den immer wieder das Fernweh packte. Vor allem, wenn er Mist gebaut hatte und deshalb Ärger bekam oder den Ärger auch nur befürchtete. Eines Tages nutzte er die Chance, eine Mitarbeiterin um einen größeren Geldbetrag zu erleichtern. Daraufhin war er wie vom Erdboden verschwunden. Alles Suchen half nichts, und auch eine Vermisstenanzeige bei der Polizei brachte kein Ergebnis. Drei Tage nach seinem Verschwinden erhielten wir dann eine in München abgestempelte Postkarte, in der er tiefe Depressionen ausdrückte und ankündigte, sterben zu wollen. Daraufhin beschloss ich spontan, mit Gottes Hilfe das anscheinend Unmögliche zu versuchen und ihn in München zu suchen: Die Nadel im Heuhaufen. Mein Sohn Timo begleitete mich. Als wir in München ankamen, begannen wir mit der Suche am Münchner Hauptbahnhof, da wir von Andrés Faszination für Züge wussten. Wie wir später erfuhren, haben wir ihn an diesem Abend nur knapp verpasst. Am nächsten Tag begannen wir wieder mit unserer Suche am Hauptbahnhof und versuchten dann, seine Wege zu erahnen. Vom Hauptbahnhof bis zum Stachus, dann weiter bis hinein nach Schwabing suchten wir erfolglos in zahllosen Gaststätten und Spielsalons nach André oder Menschen, die ihn getroffen haben könnten. Wie sich später herausstellte, sind wir tatsächlich weitgehend seinen Spuren gefolgt. Aber gefunden haben wir ihn dann schließlich doch am Hauptbahnhof, als wir diesen ein letztes Mal absuchten. Er hatte sich einer Ausländerfamilie angeschlossen, die offensichtlich Mitleid mit ihm hatte. Wir haben dann alle gemeinsam in einer Gaststätte zu Abend gegessen und André wohlbehalten zurück nach Braunschweig geholt. Bei der Mitarbeiterin hat sich ein sehr zerknirschter André ganz selbstverständlich für das „unfreiwillige Darlehn“ entschuldigt und einige Monate auf einen Teil seines Taschengeldes zur Wiedergutmachung verzichtet.
Dorothea Ströhlein
Schon lange wünschten sich die Kinder brennend einen Hund. Eines Tages wurde klar: wir werden Ihnen diesen Wunsch erfüllen. Wir brauchten also einen kinderlieben, robusten Hund, der nicht zu klein und nicht zu groß war. Als Wilfried und ich das Braunschweiger Tierheim betraten, bellte es dort in einer Lautstärke und Intensität aus allen Zwingern, dass ich am liebsten fluchtartig das Tierheim verlassen hätte. Da zeigte Wilfried auf eine Hündin mit kohlrabenschwarzem Fell. Und nicht nur weil sie uns so freundlich anguckte - ohne zu bellen - war es Liebe auf den ersten Blick zwischen „Cora“ und uns. Nach einigen Probespaziergängen gemeinsam mit den Kindern und nach der Überprüfung unserer Situation durch den Tierschutzverein (ob wir und unser Haus für die Haltung eines Hundes denn auch geeignet wären) durfte Cora kurze Zeit später zu uns kommen. Maria und Tim hatten den stärksten „Draht“ zu Cora. Wir staunten nicht schlecht, dass Cora sich nicht nur viel von Tim, dem Jüngsten im Haus, in seiner Tollpatschigkeit alles gefallen ließ, sondern sie auf ihn mehr hörte, als auf die anderen Kinder. Wenn der 2-jährige Tim „Sitz“ sagte, kaum dass er es selbst aussprechen konnte, saß Cora augenblicklich vor ihm. Cora war eine lebhafte, fröhliche Hündin, die alle im Haus mochte und von allen geliebt wurde. Sogar die Stadt Braunschweig ließ sich überzeugen, dass Cora für unsere Kinder eine große therapeutische Wirkung hatte, sodass sie uns die Hundesteuer auf 50% ermäßigte.
Andrea Kleber
Seit 2000 gehe ich mit unseren Kindern zum Reiten. Dabei gab es immer wieder schöne und spannende Erlebnisse. In guter Erinnerung habe ich, als unsere Kinder zum Reiten ihre Eltern und andere Verwandte zum Zuschauen eingeladen haben. Alle waren ganz glücklich zu zeigen, was sie gelernt haben. Besonders viel Spaß machte unseren Kindern das „Faschingsreiten“. Schon Monate vorher überlegten sich die Kinder Kostüme und arbeiteten mit mir an der Umsetzung. Da gab es dann Clowns, Dalmatiner, Frösche, Meerjungfrauen, Karotten und vieles mehr zu bestaunen. Auf einem Ausritt konnte sich eines unserer Kinder plötzlich nicht mehr im Galopp auf dem Pony halten. Als es herunterfiel, sah ich im Augenwinkel nur noch eine große Staubwolke. Ausgerechnet eine Ansammlung von Puffpilzen musste es sich als Landeplatz aussuchen. Der erste Schreck war groß, aber dank der Schutzwesten, die uns einige Wochen zuvor gesponsert wurden, hatte das Kind noch nicht einmal blaue Flecke.
Dorothea Ströhlein
Kurze Zeit nachdem wir dem Braunschweiger Jugendamt unsere Bereitschaft signalisiert hatten, bis zu 6 Kinder aufzunehmen, kam schon ein Anruf. Frau H. meinte, ich solle mich lieber erst einmal hinsetzen, damit ich mich nicht zu sehr erschrecke – und natürlich dürfte ich auch "Nein" sagen… Sie hätten da eine Geschwisterreihe von 6 Kindern, die alle schon in der Jugendhilfsstelle seien, weil sie keinen Tag länger hätten zu Hause bleiben dürfen. Es wäre schon unglaublich toll, wenn wir kurzfristig bereit wären, die jüngeren 5 zu nehmen. Wenn uns das noch zu viele Kinder seien, müsse man leider alle getrennt unterbringen. Es gäbe keine Pflegefamilie oder Heimgruppe, die 5 oder 6 Kinder auf einmal aufnehmen könnte. Ich war kein bisschen erschrocken, sondern nur ein wenig aufgeregt. Denn mein Mann und ich hatten kurz zuvor besprochen, dass es uns genau so sehr lieb wäre - nicht nach und nach einzelne Kinder aufzunehmen, sondern bis zu 6 auf einmal. Dann wäre das zwar ein turbulenter und anstrengender Start, aber dafür gäbe es nicht bei der Aufnahme weiterer Kinder jedes Mal eine erneute Beunruhigung. Kurzum: wir nahmen alle 6 auf, und es wurde ein turbulenter Start.
Dorothea Ströhlein
Mit vier Vorschulkindern habe ich Urlaub in "Welt" bei St. Peter-Ording gemacht. Das war zwar anstrengend, aber auch sehr schön. Wir konnten zu einem Sandstrand oder an einer anderen Stelle zu einem grasbewachsenen Strand gehen, an dem gerade Heu gemacht wurde. Als ich eines Nachmittags vom Schwimmen zu unserem Strandkorb zurückkam, erkannte ich diesen kaum wieder: Er war bis oben hin voller Heu gestopft. Die vier Jungen guckten mich erwartungsvoll an: was würde ich wohl zu ihrem "fleißigen Werk" sagen? Mit deutlich weniger Begeisterung schafften sie das Heu dann wieder heraus…
Wilfried Ströhlein
November 2008: Max kam uns im Haupthaus besuchen, ganz überraschend. Mit seiner Lebenspartnerin und seinen vier Kindern. Das war vielleicht eine Aufregung. Wir hatten ihn seit Jahren nicht mehr gesehen. Er hat uns 1989 nach dreijährigem Zusammenleben verlassen, um sein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Jetzt musste er natürlich erzählen: von seinen Ausbildungen, von seiner Arbeit, wie er seine Lebenspartnerin kennen lernte und wo er jetzt mit ihr und den Kindern lebt. Und dann erzählte er seinen Kindern, wie er zu uns kam und was er so bei uns erlebt hat. Voller Stolz zeigt er „sein altes Zimmer“, erzählt von Tom und Andi, mit denen er viel Zeit verbrachte – auch einige seiner kleinen „Lausbubenstreiche“ ließ er bei diesen Erzählungen nicht aus… Nach zwei Stunden mussten die fünf leider wieder los, der Zug zurück nach Hause fuhr. Aber sie haben versprochen, wieder zu kommen. Und kurz darauf erhielten wir eine Einladung zur geplanten Hochzeit…
Andrea Kleber
Eines Tages fragte mich eine Frau im Supermarkt an der Kasse: „Meine Güte, wie lange soll der Einkauf denn halten?“ Und dabei hatte ich diesmal meine zwei Einkaufswagen noch nicht einmal richtig voll. Also antwortete ich ihr: „Ach, für diese Woche reicht es gerade!“ Das perplexe Gesicht war sehenswert. Natürlich klärte ich sie auf, dass ich 9 Kinder zu Hause habe. Die nächste erstaunte Frage war dann: „Und das sind alles Ihre?“ Ich gebe zu, dass ich solche Situationen ein bisschen genieße, schließlich habe ich mir schon immer eine Fußballmannschaft gewünscht…